Mein Schultag auf der Erde oder: Ein außerirdischer Schultag

Das war wieder mal ein Tag gewesen! Dass der Homo sapiens dermaßen über seine Bezeichnung Albernheiten reißt, ist schon seltsam.

Ich habe bei Menschengeschichten (auch Romane genannt) immer ein Vorwort gefunden und werde es daher auch tun:

 

Kurze Vorstellung:

Der Name unserer Gattung ist – aus mathematischer Sicht – RSÖ*?01,222807395KJ11 kurz, RS-Red Species.

Da eine solche Bezeichnung leider in keinem Telephonbuch – einer Art mittelalterlicher Platte mit beschränktem Inhalt aller stadtnächsten Erdennamen – steht, nenne ich mich in der Vorschule – ein Vorgänger einer Akademie – einfach Willhelm Two (nach dem deutschen Kaiser Wilhelm II. und König von Preußen).

Nach nur vier Tagen kann ich schon sagen:

Liebe Brüder (eine nette Bezeichnung für Angehörige), wir brauchen die Erde nicht zu vernichten. Sie ist weder friedlich, noch sozial besonders erfolgreich, aber die Spezies Mensch wird uns auch nicht in die Quere kommen. Ich habe eher die Vermutung (nicht ganz begründete Inspiration), sie wird sich eines Tages selbst auslöschen.

Um die zerstörte Idylle mehr darzustellen, schicke ich euch mein Logbuch:

 

Montag, 05. 08. 06:

Heute begann mein erster Tag an der Ingrid Correct-Brutus Schule, einer Gesamtschule in der Nähe von Insiderland, einem Vergnügungspark. Mein Klassen-, Mathe- und Chemielehrer trägt die höfliche Bezeichnung Mr. Know. Sein voller Name ist Donald Know.

Meine Mitschüler sind, ehrlich gesagt, etwas komisch: Sie haben eine Art Halt-dich-nicht-an-Regeln-Kultur entwickelt, die sie mit physischen und psychischen Mitteln anderen aufzwingen.

Einer namens David besitzt eine biologische Schallsirene in seinem Kehlkopf, die er benutzt, um mich zu quälen, seit ich ihm freundlich mitteilte, es würde mich stören.

Auch wissen die Kinder mehr, als im Logbuch gemäß ihrer Minderjährigkeit steht. Sie lachen und machen Witze über Dinge, die uns und natürlich auch mir völlig alltäglich erscheinen, wie Musikgruppen, Mädchen und Lehrer.

Aber was, bei den neun Monden des Io, ist denn so lustig, wenn ein Mitschüler Kreide durchs Klassenzimmer wirft, jemand eine Freundin hat oder in einem Film (für Zuschauer unter 18 Jahren vielleicht erwähnenswert) der Held oder der Feind zerschlitzt, auseinandergerissen oder zertrampelt wird? (Und was bedeutet eigentlich der alles umfassende Begriff „geil“?).

Dagegen zählt die bisherige Lebensweise und frühere Kindheit so gut wie nichts; und dies anzusprechen wird entweder verspottet oder heruntergesetzt.

Auch die Theorie von Unterricht ist ein gewaltiger Unterschied zur Praxis. Wenn eine Gruppe Mitschüler einen schlechten Tag hat, ahmen alle im Raum dessen Unlust beim Lernen nach. Die arme Geschichtslehrerin Frau Blaukrau ist jedoch zu nett, um etwas dagegen zu unternehmen!

Am stärksten hebt sich der Eduard hervor. Er flüstert und tuschelt immer mit Tischnachbarn. Wehe man ist dagegen – man gilt sofort als Streber! Also wirklich!

 

Dienstag, 06.08.06:

Ein ganz auffälliges Lebewesen namens René versucht immer, mich  nach der Uhrzeit zu fragen. Hat er keinen Zeitmesser?

Wenn ich etwas antworte, bekomme ich vom Lehrer Ärger, wenn ich ihn ignoriere, gelte ich als „behindert“. Was ist das?

Aber die Lehrer der Schule sind auch nicht besser. Meine „irdischen“ Eltern (ihren Sohn schicken wir nach den vier Tagen zurück – vergesst es nicht!) haben bereits Briefe mit Nachfragen an sie geschrieben, die aber ignoriert werden. Warum schreiben die Lebewesen hier denn sogenannte Briefe?

Die Lehrer sind vom Schultag genervt, sie fehlen, und so fällt die Hälfte des Schultages aus.

Oder sie sitzen faul am Tisch und kümmern sich nicht um die Schüler. Viele neigen sogar zu Aggressionen!

 

Mittwoch, 07. 08. 06:

Am nächsten Tag (genau 24 Stunden und 0,2 Sekunden später) bat ich die Vertretungslehrerin darum, nicht neben René sitzen zu müssen. Es war, als hätte ich eine Rakete angezündet. Ausnahmslos alle Schüler im Raum riefen dies und das – natürlich war nur ich „schuld“,“ wir haben es ihm gesagt“, „der verpetzt uns immer“, „wir sollen immer Mist machen“, „aber er“… alle Lehrer waren ratlos und beschützten diese Lebewesen.

Die Tätigkeit des „Meldens“ scheint auf diesem Planeten noch nicht bekannt zu sein.

Und wenn ich mal einen Fehler gemacht habe, wollen sie mir nicht verzeihen: „Ja, du darfst alles“, „Verpetz mich doch ruhig“, „Nachher geh ich selber petzen“, etc. … vollkommen unverständlich!

Und einige Zeit später ist eine Horror-Pause fällig:

Mein Mitschüler Kevin amüsiert sich über einen Film, wo unsere Leidensgenossen von Menschen in „Mars Attack“ (absoluter Unfug) abgeschlachtet werden oder selbst die Killer sind!

Zu den Wohnungen der Erdbewohner möchte ich bemerken, dass sie so aufgebaut sind, dass man nur durch einen Durchgang nach draußen kann, so etwas Unpraktisches!

Und überhaupt: die Kommunikation: Ich habe mitgezählt, es fallen mehr „geil“ und „cool“ Wörter als Sätze!

Immer noch nicht habe ich mich an „Autos“ gewöhnt!

Wenn mir einer vor 30.000 KPÄ gesagt hätte, die Erde würde von lebenden aber zugleich toten, qualmenden Vierrädern bewohnt, dann hätte ich ihn zwangseinweisen lassen müssen – am anderen Ende des Sirius!

Seit dem Ende der Dinosaurier (hier heißen sie Dinos) hat sich die Luft hier leider auch sehr verschlechtert!

 

Donnerstag, 08.08.06:

(endlich der letzte Leidenstag!)

Mein letzter irdischer Schultag war besonders schwer, weil im Unterricht immer geredet wird. Das könnt ihr euch nicht in der hintersten Gehirnsynapse vorstellen!

Und weil ich anfangs nicht ununterbrochen freundlich war, schieben mir die anderen jetzt immer die Schuld zu.

Was soll ich denn machen, Brüder des Alls? Nett zu reden bringt nichts; sie anzuzeigen, schafft nur Feindseligkeit.

Auch möchten sie, dass ich immer ihre Interessen teilen soll!

Aber ich werde mir bestimmt nicht, die Haare bunt färben, oder keine Brille tragen, obwohl ich sie brauche (es gibt in meiner Klasse richtige blinde Maulwürfe ohne Brille!), oder nackte Frauen zeichnen!

Den Kontrolltest „Höflichkeit“ hat diese Spezies glasklar NICHT bestanden!!!

Und dann erst die Religionen. An meiner Schule rief mal ein Türke: „Du Jude, ey!“ Ich hatte vorher recherchiert, dass man sehr vorsichtig mit dem Umgang der Religionen untereinander umgehen soll und nie jemanden mit seiner Religion beleidigen darf. Aber das stimmt hier wohl gar nicht!

Auch über den Religionsunterricht machen sich alle lustig, dabei ist er doch sehr interessant. Wenn ein Rabauke in der Religionsstunde keine Lust zum Lernen hat und sich stur stellt, machen ihm das alle nach.

Aber das habe ich ja schon erwähnt, langsam langweilt es mich auch!

Liebe Freunde da oben! Ich denke, mein Flug hierher zur Erde war nur unnütz vergeudete Lichtgeschwindigkeit!  Ich werde jetzt mein als Litfasssäule getarntes Raumschiff von Graffitti (das ist übrigens eine der Lieblingsbeschäftigungen der Humanoiden hier, was sie besonders an den Bahnen demonstrieren, die natürlich nicht unserer Technologie nahe kommen) reinigen und zurückfliegen.

Übrigens, musste ich keine Angst bei der Landung haben, ein Heiligtum zu beschädigen. Hier ist alles wertlos! Die Menschen wissen nichts mit sich anzufangen. Ich will endlich weg von diesem langweiligen Planeten!